Kriegsweihe

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Zu den einzelnen Installationen und Performances :

 

1. Verantwortung
Todesfuge

Alma Baute ist 18 Jahre und eröffnet die Gesamtperformance KRIEGSWEIHE als Sängerin einer Vertonung von Texten aus Paul Celans Todesfuge. Umgeben von drei riesigen Druckkammerlautsprechern, die mit je über 140 Dezibel, E-Gitarren Sirenensounds mit sich steigernden Lautstärken „feuern“, steht die junge Sängerin inmitten eines hörbaren Kriegsbildes.
Ihre einzige Gegenwehr ist ihre Stimme und die Klage eines Textes, der als Antwort auf die Greuel des Zweiten Weltkriegs, die unauslöschliche Schuld der Täter und die Notwendigkeit des „Sich-den-Realitäten-stellens“ und des „Sich-füreinander-einsetzens“ beschwört. Ein musikalisches Duell und schmerzvolles Ausharren gegen jede Behauptung der Notwendigkeiten von Krieg und eine Antwort auf die Sinnlosigkeit von Kriegen gegen Menschen, welcher Herkunft und Zugehörigkeit auch immer.

 

2. Verachtung
Blutsee

Im Zentrum ein „See aus Blut“, umgeben von vier Lautsprechern aus denen ein Streichquartett ertönt, Beethovens Große Fuge op. 132. Aus jedem einzelnen der vier Lautsprecher erklingt jedoch nur eine der Stimmen dieses Werkes. Der „Sweetspot“, jener ideale Platz, an dem das Publikum das gesamte Streichquartett ideal und rein hören kann, liegt im Zentrum zwischen den Lautsprechern. Außerhalb dieser „Sphäre“ führen Pegelunterschiede und Laufzeiten zu Verwerfungen. Das Zentrum zwischen den Lautsprechern muss von den Zuhörer*innen betreten werden, durch einen „See aus Blut“. Erst wenn eine Hörer*in das Zentrum betritt, stellt sich eine temperierte Stimmung her. Doch bleibt das „Blut“ symbolisch an allen haften, die die Schönheit der Beethoven Fuge suchen und finden. Welchen Preis sind wir zu zahlen bereit für das Glück des Perfekten, für einen perfekten Genuss? Eine immersive, interaktive Klanginstallation befragt die Unmöglichkeit der Unschuld in einer schuldigen Welt.

 

3. Hoffnung
Im Tod umschlungen

Hörst du die Trommeln // Wieder // Krieg // Des Menschen Brandmal // Der Hölle lautestes // Schrecklichstes // Freiheit nicht…
An den Ufern eines Sees stehen sich zwei Sänger*innen gegenüber. Schweigend, zwei Positionen, unvereinbar. Kein Wort, Stille, bis ein gesangliches Duett beginnt. Es geht argumentativ um das Für und das Wider der Notwendigkeit von Kriegen des Menschen gegen den Menschen. Langsam steigert sich was als Duett begann zu einem verzweifelt sich ins Chaos steigernden Dialog. Zwei antagonistische Positionen kämpfen in einer Vokalschlacht mit archaischen Lauten und Himmelsgesang. Was sich zwischen den Sänger:innen bewegt ist ein in Musik und Worten aufgelöster Krieg. Begleitet und bestimmt von Snaredrums, die wie von Geisterhand selbst spielen, nähern sich jedoch diese zwei „Kämpfenden“ mehr und mehr an. Alles endet in einem Bild der Vereinigung, einer Pietà, in der der Tod alles verstummen lässt.

 

4. Hybris
Seven Spirits

Der Wunsch nach Vergessen ist das Thema in Lord Byrons dramatischem Gedicht „Manfred“. An Goethes „Faust“ erinnernd, leidet Byrons Titelheld an seiner Unfähigkeit die Welt ganz und gar zu durchdringen. In seiner Verzweiflung ruft er sieben Geister, ihn von der Last des
Wissens und der Erinnerung zu befreien. Im Stadtraum von Weimar sind diese Sieben Geister existent, als eine Klanginstallation sicht- und hörbar. Sieben kreisförmig angeordnete Lautsprecherskulpturen erinnern in Wort und Musik das Vergessen. Inspiriert von Byrons
„Manfred“ erzählen Seven Spirits aus dem Leben einer Nationalsozialistin, die einen Krieg erlebte und lebte. Noch im hohen Alter glaubt sie das Recht zu haben, vergessen zu dürfen, ihre Taten, all die Verfehlungen ihres Lebens. Sie will vergessen um jeden Preis und muss dennoch leben, uns zu erinnern.

 

5. Rausch

Zwei Spielmannszüge, Profis und Laienmusiker:innen marschieren in zwei musizierende Schlachtreihen mitten in Weimar aufeinander zu. Eine kriegsähnliche Konstellation. Je weiter die Züge voneinander entfernt sind, so eindringlicher hört man das musikalische Gegeneinander von Marschtrommeln, klappenlosen Querflöten, Lyren, Großer Trommel und Becken. Doch je näher sich die marschierenden Schlachtenreihen kommen, potenziert sich ihre Musik und ein gemeinsamer Klang wird ahnbar. Kriegerische Distanz findet auf dem Weg zueinander zu ungeahnten Harmonien, zum Verständnis des jeweils Anderen, sogar ein echtes Miteinander könnte möglich werden. RAUSCH ist das quantitave Zentrum des performativen Rituals KRIEGSWEIHE. Zuschauer:innen erleben einen RAUSCH als zentrale Performance, weithin hör- und sichtbar im Herzen der Stadt.

 

6. Ordnung

In der Geschichte der Kriege überbrachten reitende Boten auf den Rücken von Pferden
entscheidende Nachrichten von Sieg oder Niederlage. Pferde trugen Warnungen vor
heranziehenden Apokalypsen auf ihren Rücken oder selbst Tod und Verderben in die Städte, wie im Trojanischen Krieg. In der Gegenwart der Performance KRIEGSWEIHE bewegt sich abermals ein Pferd durch eine Stadt. Doch längst hat es seinen Boten, schicksalsbestimmende Botschaften und die eigene Gefährlichkeit verloren. Übrig geblieben ist ein konstruktivistisch anmutender Pferdetorso, ein Ross ohne Reiter, doch mit einer Stimme, die wild zusammengewürfelte Textfragmente skandiert. In bester dadaistischer Manier spricht und singt es von Krieg, Tod und Verderben, von der Lust des Schlachtens, von einer Doppelschlacht in fernen Zeiten, Goethes Eiche in Buchenwald, dem Förster vom Ettersberg. Das Pferd sucht eine neue, vielleicht gegenwärtige Botschaft, eine neue Ordnung und findet doch nur die ewigen Abgründen des Krieges. Begleitet und bewegt wird dieses neuapokalyptische Wesen von einem skurrilen Clownspaar, seinen Führern, die selbst nicht wissen wohin. Ihre gemeinsame Reise führt sie vorbei an den einzelnen Ritualen der KRIEGSWEIHE und endet am steinernen Standbild zweier großer Dichter und Humanisten, Goethe und Schiller, direkt vor dem Nationaltheater.

 

7. Kill Krieg – Eine Gala
Alles endet auf der Bühne eines Theaters. Ein Pferd, Texte, Musiker*innen, Performer*innen, ein Libretto, kluge Gedanken, der Krieg. Am Ende der KRIEGSWEIHE steht auf der Bühne des
traditionsreichen Nationaltheaters der Krieg selbst vor einem Tribunal. In 8 Walzervariationen, mit betörend schönem Gesang, einem Flügel, einem Playerpiano, einem Streichorchester und einem vergiftet poetischen Libretto, unternimmt eine operntheatrale Performance das in unseren Realitäten Unmögliche: Den Krieg zu „killen“. Alles beginnt in Schönheit und eskaliert Stück um Stück zu einem letzten Duell zwischen einer Anklägerin und dem Angeklagten. Notwendig überzeichnet, doch realitätsnah, werden unsere gesellschaftlich hilflosen Verhältnisse zum Krieg verhandelt. Denn nur ein Atemzug liegt zwischen dem Bekenntnis zum Leben oder zum Tod. Es geht um vergessene Verantwortung, um Verachtung die uns in Kriege treibt, das Blut das wir für und gegen den Krieg vergiessen, die menschliche Hybris, den ungezügelten Rausch und die Ordnung, die den Menschen vor sich selber schützt. Die Sängerin Jelena Kuljić als Anklägerin und Julian Mehne als Krieg treiben sich gegenseitig an, mit und gegen das Libretto der österreichischen Autorin Lydia Haider. An diesem Abend rechnen Menschen mit sich, ihrem ärgsten Feind ab, so unaufhaltsam, wie gnadenlos. Schönheit trifft auf Grauen, Fiktion auf Realität und der Krieg, wer er auch sei, lebt, tot oder lebendig.

So töten wir also den Krieg
 und die Sau lebt in uns weiter. Wir haben ihn getötet. Er ist noch immer da. Oben drüber wie
 unten drunter kein Krieg mehr was glaubst du
 der ist hin die Sau
 ist weg jetzt
 ausradiert, eliminiert, vernichtet thou Kriegsschwein und wer zweifelt der kann sich gleich dazustellen zu ebensolch

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Termine bisher

31. August bis 3. September 2023

Kunstfest Weimar

Partner

Allianz Foundation

Thüringer Staatskanzlei

Kunstfest Weimar

Volkstheater Wien

Orchestre della Svizzeria Italiana

Mitwirkende

Marc Sinan

Komposition, Künstlerische Leitung

Lydia Haider

Libretto

Holger Kuhla

Bühnenbearbeitung und Dramaturgie

Isabel Vollrath

Kostüme

Miriam Baute

Gestaltung

Volker Greve

Sound Design

Ilija Dordevič, Anthony Dunphy

Sensorik

Felix Seidel

Light Design

Marc David Ferrum, Wiebke Wesselmann

Projektleitung Berlin

Marcus Max Schreiner

Projektleitung Weimar

Alma Baute

Gesang

Johanna Vargas

Gesang

Andreas Fischer

Gesang

Jelena Kuljić

Gesang

Julian Mehne

Gesang

Magdalena Cerezo

Klavier

Zora Slokar

Gesang, Horn

Uli Langenbein

Performance

Rieke Schuberty

Performance

Lukas Miko

Stimme

Kyiv Symphony Orchestra

Ensemble Metamorphosis

Spielmannszug Bad Langensalza

Spielmannszug Mellingen

Thomas Müller

Fotos

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DEVON HONFIELD

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